Von der Idee in die Tiefe – die Linzer Agentur kest.
CAESAR in Gold in der Kategorie „Kampagne“ beim CAESAR2020
Schon der Webauftritt macht klar, dass hier Verfechter einer kompromisslos klaren Typografie zu Hause sind. Und in ihrem Auftreten sind sie Meister der Bescheidenheit. Zurückgenommen, überlegt, eher leise, eher nachdenklich. Ihr Selbstbewusstsein tragen sie nicht grell vor sich her, sondern es glimmt unaufdringlich auf, wenn es um Grundsatzfragen geht.
Die Rede ist von kest Werbeagentur. Christoph Kerschner und Walter Stromberger.
Seit 2006 ist das Duo auf CAESAR-Auszeichnungen quasi abonniert. So auch beim CAESAR2020 gleich in drei Kategorien mit zwei Mal Gold, und einmal Bronze.
Ihre kreative Herkunft ist an der Linzer Kunstuni zu finden, wo die beiden um die Jahrtausendwende Grafikdesign an der Meisterklasse von Marek Freudenreich studiert haben. Als Duo waren sie vom damals noch mit dem Nimbus des Neuen und besonders Kreativen behafteten Web und seinem Design besonders angetan und fanden Jobs bei einer damals sehr trendigen Digitalagentur. „Web war interessant, aber auf längere Sicht dann doch zu wenig,“ resümiert Christoph Kerschner die damalige Situation. „Wir wollten alles selber in der Hand haben und nicht nur Ausführende sein. Und außerdem wollten wir wieder mehr Print als Web machen.“
2002 schmiedete man daher einen Business-Plan um sich auf die Selbständigkeit vorzubereiten. „Der war schon wieder überholt, als wir mit unserer Agentur angefangen haben, weil uns einfach die Realität und die Dynamik des Marktes eingeholt haben.“, ergänzt Walter Stromberger. „Wir wollten uns in Richtung Kampagne entwickeln, weil das die Königsdisziplin ist und einem alles abverlangt. Aber anfangs haben wir gemacht, was der Markt verlangt hat. Und auch unser erster Versuch in der Kaltacquise fällt in diese Zeit. Er war ein Flop durch und durch. Wir konnten 4 Kontakte generieren und einen höchst unangenehmen Kunden. Und mit dem war es auch bald wieder vorbei.“
Und Christoph Kerschner: „Aber wir haben bemerkt, wie wichtig das Netzwerken ist. Wir haben damals begonnen, viel mit anderen Agenturen zu kooperieren.“
Eine andere Erkenntnis, die ihnen weitergeholfen hat, haben Kerschner und Stromberger aus ihrer Studienzeit mitgenommen. „Auch wenn wir’s damals in unserem Ungestüm tausend Mal verflucht haben: unser Professor, Marek Freudenreich, hat uns damit gequält, die Idee hinter einem Projekt schlüssig und bis ins kleinste Detail durchzuarbeiten. Die Idee ist das Wichtigste. Erst auf einer wirklich gut durchdachten und ausgereiften Idee kannst Du eine erfolgreiche Kampagne aufbauen!“
Die Idee in die Tiefe entwickeln: das hat den beiden dann auch die Chance zu ihrem ersten CAESAR geboten. Beim Wettbewerb „Ideas that matter“ des Papierkonzerns Sappi konnte kest die Jury von einem Projekt zugunsten des oö. Kinderschutzzentrums überzeugen, das dann mit Verhüllungsaktionen in der Linzer Innenstadt und in Geschäften umgesetzt wurde. So konnte man einem „Mantel des Schweigens“ genauso begegnen wie einem „Buch mit sieben Siegeln“, Taschen mit provozierenden Textaufdrucken, Teilverhüllungen von Schaufenstern oder verstörenden Citylights. Aktionen, die die Aufmerksamkeit auf die Gewalt an Kindern im Schutz der Verschwiegenheit und der Verheimlichung lenken sollten.
Damit war nicht nur das Eis für eine wichtige Einrichtung wie das oö. Kinderschutzzentrum gebrochen, sondern auch der Durchbruch für kest geschafft.
Dem CAESAR von 2006 folgten viele weitere, dazu Red Dot Award, CCA, Victoria, mehrere Austriacusse und einige mehr.
„Dabei haben wir dazugelernt, dass wir uns nicht nur fachlich, sondern auch beim Einreichen zu Wettbewerben professionalisieren mussten,“ gesteht Walter Stromberger. Also auch beim Gestalten von Einreichunterlagen ist Packaging gefragt. Aber das kann kest ja! Ein CAESAR in Bronze wurde 2020 in dieser Sparte gewonnen.
Und natürlich spielt dabei die Typografie eine besondere Rolle. Sie ist das Liebkind von Christoph Kerschner. „Es schmerzt mich richtig, wenn ich sehen muss, wie unsensibel Grafiker oft Schriften dehnen oder stauchen. Das tut richtig weh! Denn Schriften sind eigene Charaktere; wie Menschen. Daher sind sie ja so wichtig bei Kampagnen; weil sie Charakter vermitteln“! Ein Beispiel dafür ist, neben der klaren Website von kest selbst, die Kepler Tribune, für die kest beim letzten CAESAR im Jahr 2018 ebenfalls mit Gold ausgezeichnet wurde. Charakter eben!
Und weil die Digitalisierung in der Einschätzung von kest das Kommunikationsgeschehen noch weiter durchdringen wird, arbeitet Christoph Kerschner etwa an kinetischer Typografie. Also an bewegten und beweglichen Glyphen, die trotz Bewegung ein gefälliges Schriftbild ergeben.
Generell sieht man bei kest die digitalisierte Zukunft eher als Chance. Etwa durch neue Formate wie TikTok und die vorherzusehende stärkere Entwicklung der Social Media, weil man damit auch Zielgruppen ansprechen kann, die man mit klassischen Kommunikationsstrategien nicht erreicht. Und auch wenn Print in der Einschätzung von kest eher zurückgehen wird, sieht man vorerst keinen Medienbruch sondern höchstens eine Steigerung der Vielfalt. Wie wäre sonst der Erfolg einer Kepler-Tribune zu erklären.
Schwieriger schätzen die beiden die Tatsache ein, dass der Markt schnelllebiger werden wird, Halbwertszeiten kürzer und Entscheidungen kurzfristiger werden. Langfristige Planbarkeit wird nach Einschätzung der beiden wohl eher abnehmen. „Kontinuität gibt es aber im Agenturbetrieb ohnehin nicht. Da muss man flexibel sein und bleiben. Insofern hat uns auch Corona nicht geschadet, weil wir ja auch im Home Office bestehende Projekte weiter bearbeitet haben. Eine Auslastung war daher immer gegeben.“
Und auf gute Auslastung setzt man auch mit der Personalstruktur. Walter Stromberger: „Derzeit sind wir zu viert in unserem Unternehmen. Aber wir arbeiten mit externen Spezialisten zusammen, wenn wir eine Leistung inhouse nicht abdecken können.“
Ein Merkmal der Kurzlebigkeit und einer sich verbreitenden Unkultur seien Ausschreibungen mit zu vielen Bewerbern und Gratis-Pitches. „Sobald man ein Abstandshonorar einfordert, fliegt man raus,“ erzählt Walter Stromberger, „und daher nehmen wir an solchen Ausschreibungen auch gar nicht mehr teil.“ Ein weiteres Problem sieht man in der Forderung vieler Auftraggeber nach offenen Daten und unbeschränkten Nutzungsrechten. In diesem Bereich wünscht sich kest mehr Einsicht und Bewusstseinsbildung bei den auftraggebenden Unternehmen.
„Es ist immer die Frage, was man sich aus wirtschaftlicher Sicht erlauben kann, abzulehnen,“ meint Walter Stromberger „aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei Kunden mit einem problematischen Verständnis die Zusammenarbeit ohnehin relativ schnell ein Ende findet. So hat sich bei uns ein recht breit gefächerter und auch relativ stabiler Branchenmix etabliert.“
Der reicht von historisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekten über eine schon länger bestehende Zusammenarbeit mit der Johannes Kepler Universität für deren Kampagne zu einem noch gar nicht existierenden neuen Institut auch beim CAESAR2020 wieder eine Auszeichnung in Gold gewonnen wurde, bis zum neuen Erscheinungsbild für eine Mühle (ebenfalls ein CAESAR in Gold und einer in Bronze) oder einem zum Hotel umgebauten Kloster im Wienerwald.
Und so breit, wie das Portfolio ist auch die Erwartungshaltung von kest was neue Projekte betrifft: „Eine website zu machen, ist uns zu wenig! Wir brennen für Projekte in Richtung Marke, Corporate Design und Kampagne. Dinge, die uns fordern. Denn Herausforderung muss schon da sein. Dann wird es wirklich interessant für uns.“