DENKFRÜHSTÜCK - WIE SPRACHE UNSERE GEDANKEN FORMT
„Sprache ist alltäglich. Und wird gerade deswegen meist völlig unterschätzt“, ist Sprachwissenschaftlerin Karoline Irschara überzeugt.
Dabei formt Sprache Gedanken, erzeugt in uns Bilder und schafft Realitäten. Grund genug, sie beim jüngsten DENKFRÜHSTÜCK des Netzwerks Werbung in den Mittelpunkt zu rücken. Mit so manchem überraschenden Impuls.
EIN BESONDERER ORT FÜR KREATIVE KÖPFE
Mit der HTL Leonding wurde als Hauptveranstaltungsort und Kooperationspartner bewusst wieder ein Ausbildungshotspot der Branche gewählt. Die Schüler*innen waren in Sachen Organisation, Fotografie, Film, Schnitt und Liveübertragung maßgeblich an der professionellen Umsetzung an der Mainstage beteiligt.
WERBEBRANCHE STELLT SICH HOHER VERANTWORTUNG
Über 200 Teilnehmer*innen sind der Einladung zum Denkfrühstück verteilt auf Mainstage, 12 Hosts und in den Livestream gefolgt. Das Interesse war groß.
Denn beim jüngsten DENKFRÜHSTÜCK rückte das Netzwerk Werbung ein Thema in den Fokus, das jeden betrifft und berührt: unsere Sprache. Sie ist gleichzeitig auch der grundlegende „Werkstoff“ von Marketing und Kommunikation und gehört damit zur DNA der Branche.
WORTE SCHAFFEN BILDER: EIN AUFTAKT MIT WIRKUNG
Christoph Schumacher, Obmann der Fachgruppe Werbung – Marktkommunikation der Wirtschaftskammer OÖ, platzierte mit seinen Begrüßungsworten, wie wichtig für alle der Blick über den eigenen Tellerrand sei, gleich das erste Bild in den Köpfen des Publikums.
Sprachwissenschaftlerin Karoline Irschara nahm mit ihrem Impuls den Ball sofort auf: Sie ließ den oft zitierten rosa Elefanten durch ihre Worte in den Gedanken lebendig werden. Und demonstrierte damit, was jüngste Studien klar unterstreichen: Sprache ist nicht allein das Verbalisieren der eigenen Gedanken. Sondern sie formt Gedanken und Bilder und geht damit als Framing weit über die reine Beschreibung hinaus. Worte rufen im Gehirn Emotionen, Erinnerungen, Gerüche oder Assoziationen ab. Und beeinflussen Verhalten.
SPRACHE BEEINFLUSST UNSER VERHALTEN
„Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen, wenn sie mit Begrifflichkeiten des Alterns wie ‚grau‘, ‚alt‘, ‚Pension‘ usw. konfrontiert werden, danach nachweislich langsamer gehen“, so Irschara. Eine weitere neue Studie belegt, dass Leser*innen ein Verbrechen in einem Zeitungsartikel weniger streng bewerten, wenn darüber in passiver Sprache berichtet wird. Und deutlich strenger bewerten, wenn der Bericht über das Verbrechen in aktiver Sprache verfasst ist.
WORTE MIT BEDACHT: DIE KUNST DER SPRACHLICHEN VERANTWORTUNG
Sprache kann Gutes oder eben auch weniger Gutes fördern und auslösen. Diskriminierungsforschung zeigt etwa, dass durch Sprache Fehlentwicklungen in der Gesellschaft verstärkt, aber auch korrigiert werden können. Wird etwa bewusst gegendert, macht das Frauen deutlich sichtbarer. Und spricht diese auch im wahrsten Sinne des Wortes direkt an: Werden etwa Jobausschreibungen gegendert, steigt automatisch die Anzahl an Bewerberinnen. Spricht man hingegen nur in männlicher Form, werden Frauen automatisch kognitiv ausgeklammert. Und die Männerbilder, aber auch die Bewerbungen von Männern überwiegen in den meisten Fällen.
„Sprache hat für uns eine grundlegende Bedeutung. Wir sollten entsprechend sorgsam mit ihr umgehen!“
Karoline Irschara
SPRACHREVOLUTION: WIRTSCHAFTLICHER ERFOLG DURCH GLEICHSTELLUNG IN DER KOMMUNIKATION
„Die Gleichstellung von Geschlechtern in der Sprache geht also weit über ethische oder gesellschaftliche Aspekte hinaus. Sie hat auch eine starke betriebswirtschaftliche Dimension“, ist Irschara überzeugt. Denn wenn es uns in der Werbung nicht gelingt, zielgruppenspezifisch bzw. zielgruppenoffen zu kommunizieren, verlieren wir automatisch Teile der Zielgruppen in Ansprache und Reaktion. Und damit an Wirkung.
TIEFENANALYSE: MIT FOKUSGRUPPEN ZUR SPRACHLICHEN PRÄZISION
Die Wirkungszusammenhänge seien dabei oftmals nicht sofort ersichtlich, betont Karoline Irschara. Christoph Schumacher bringt dazu Fokusgruppen ein: Sie seien ein effektives Instrument, die Wirkung von Sprache zu analysieren und sie so in der Werbung gezielt einzusetzen.
OFFENHEIT STATT BARRIEREN: DER SCHLÜSSEL ZU VIELFÄLTIGER KOMMUNIKATION
Grundsätzlich kommt es beim Bespielen der sprachlichen Klaviatur in der Werbung laut Karoline Irschara nicht nur auf das Setzen von Ankern oder Buzzwords an, sondern auch auf das Herstellen von Offenheit, Gleichheit und um das Nützen von Codes einzelner Zielgruppen. Wer eng kommuniziert, setzt Barrieren. Wer Vor- und Rollenbilder neu denkt und in der Sprache Diskriminierung reduziert, schafft gedanklichen Freiraum und sichert Vielfalt – mit all den damit verbundenen Effekten am Markt.
GENDER-EXPERIMENTE: MIT KREATIVEN ANSÄTZEN ZUR GLEICHSTELLUNG
Wie man richtig gendert, wird Karoline Irschara gefragt. Es gäbe dazu keine klare Regel, so ihre Antwort. Wichtig sei das Bewusstsein dahinter und der Versuch, die Gleichberechtigung und Offenheit konsequent in der Sprache zu leben.
Haben Sie Lust und Spaß an verschiedenen Formen der Sprache. Probieren Sie doch einmal aus, nur die weibliche Form in Ihrem Social Media Post zu verwenden. Und beobachten Sie die Reaktionen und Effekte daraus“
Karoline Irschara
WORTE ALS MACHTINSTRUMENT: DIE WELT NEU DENKEN & GESTALTEN
Letztlich gehe es aber nicht darum, Sprache als richtig oder falsch zu werten. Sondern sie als elementares Vehikel zu sehen, um die Gedanken, die Bilder, letztlich unsere Welt positiv zu gestalten. Und dabei eben auch Diskriminierung und Stereotypen aufzubrechen.
Das fordere nicht nur den Menschen, sondern auch KI-Systeme wie ChatGPT, bringt jemand aus dem Publikum ein. Denn die Datenwelt, die KI verwendet, spiegelt die Ungleichheiten und Klischees in der Gesellschaft wider.
DIE MACHT (DER SPRACHE) IST MIT UNS
„Niemand sagt, dass man mit gezielter Sprache alle Probleme lösen kann. Aber Sprache hat die Macht, Denkmuster zu ändern und weiterzuentwickeln. Also unsere Welt zu verändern!“, setzt Irschara ein starkes Schlusswort.
GEDANKEN-BLITZLICHTER AUS DEM DENKFRÜHSTÜCK
„Mit dem DENKFRÜHSTÜCK wollen wir für unsere Mitglieder Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und zu neuem Bewusstsein beitragen. Das gilt ganz besonders für Themen, die wir gut zu wissen glauben – wie Sprache. Hier können wir als Kommunikator*innen immer wieder dazulernen“
Christoph Schumacher
Obmann der Fachgruppe Werbung – Marktkommunikation der WKOÖ
„Sprache hat durch KI einen Turbo bekommen! Es ist erfolgskritisch wie nie zuvor, sie in Kontext zu setzen und aus den Perspektiven der Zielgruppen, der Tools und der gesellschaftlichen Veränderungen zu betrachten.“
Thomas Oberngruber
Geschäftsführer der Fachgruppe Werbung – Marktkommunikation der WKOÖ
„Ich habe viele interessante Impulse aus dem Denkfrühstück mitgenommen. Manches werde ich gleich einmal ausprobieren, zum Beispiel wie es sich auswirkt, wenn ich Content auf Social Media rein in weiblicher Form schreibe. Wie werden die Reaktionen darauf sein? Wird sich das Engagement ändern? Ich bin schon sehr gespannt!“
Carmen Übermasser
„Es gibt keine einfachen Lösungen, wie man Menschen richtig erreicht. Denn die Diversität der Kommunikation im Marketing ist so wie die Anzahl der Channels und Tools größer geworden. Hier richtig vorzugehen, ist die Handwerkskunst unserer Branche und bedeutet auch ein hohes Maß an Verantwortung.“
Dominik Hager